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Moral Hazard 2.0

Moral Hazard – kennt das Schlagwort noch jemand? Vor zehn Jahren in der großen Finanzkrise, zu Zeiten von Bankstern und „Nieten in Nadelstreifen“, war der Begriff weitgenutzt. Doch auch in dieser Krise lassen sich Parallelen erkennen: Moral Hazard 2.0.

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Wir erinnern uns: Moral Hazard bezeichnet den Anreiz zum leichtfertigen Handeln zum eigenen Vorteil, bei dem die Nachteile andere tragen müssen. In der Finanzkrise waren in bestimmen wirtschaftlichen Leistungsbeziehungen beispielsweise Risiko und Haftung von der Ertragschance getrennt. Das führte zu enormen Fehlanreizen bei den verschiedensten Gruppen, nicht nur bei den Kreditmaklern in den USA, den kreativen Bankern, sondern vor allem auch bei den Kreditnehmern mit ihrer Gier nach gesellschaftlichem Aufstieg. Wir denken gerne an die Szene aus The Big Short.

Es scheint sich zwischenzeitlich, nicht nur an der Börse, so langsam etwas Erleichterung breitzumachen. Auch wenn das Robert-Koch-Institut, das sich in dieser Katastrophe teilweise in ausbaufähiger Verfassung präsentierte, regelmäßig daran erinnert, dass wir immer noch am Beginn der Pandemie stehen. In den Neuinfektionszahlen lässt sich das nicht ablesen, gemeint ist wohl, dass wir noch einige Monate, im schlechten Fall Jahre, mit Einschränkungen leben müssen. Noch ist nicht ausgemacht, dass wir überhaupt einen Impfstoff erhalten. Gegen das HI-Virus wird seit 40 Jahren nach einem Impfstoff gesucht und es wurde keiner gefunden. Auch gegen Hepatitis C existiert bis heute kein Impfstoff. Gegen andere Coronaviren wurden aber zumindest im Tierversuch schon gute Erfahrungen gemacht, sodass eine erfolgreiche Impfstoffentwicklung nicht unplausibel erscheint.

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Die Strategie der Bundesregierung ist schlicht „Zeit zu gewinnen“, bis Infektionen medizinisch oder immunologisch kontrollierbar sind. Nicht die Quadratur des Kreises, sondern die Abflachung der Kurve wird diesmal versucht. Einige zeitgenössische Kommentatoren scheinen aber eine mehrdimensionale Herausforderung mit eindimensionalen Gedankengängen bekämpfen zu wollen. So ließ der Tübinger Oberbürgermeister verlauten, und da sind wir bei Moral Hazard 2.0 Nummer 1, dass alle derzeitigen Bemühungen sinngemäß deshalb unnötig sind, weil die Sterbenden alters- und vorerkrankungsbedingt ja sowieso demnächst gestorben wären. Wir sind wirklich außerordentlich wirtschaftsfreundliche Menschen. Aber vor allem sind wir Menschen, und eine Entscheidung, jemand könne ja getrost sterben, ist eine Entscheidung, die wir uns aus menschlichen Gründen nicht anmaßen sollten. Dabei hat der Tübinger Oberbürgermeister leicht reden, denn er ist es ja nicht, der früher sterben soll. 

Ein weiterer Punkt sind die derzeitigen massiven, nein, beispiellosen Staatshilfen. Was wir sehen ist, dass viele hilfsbedürftige Unternehmen mit einigem Recht Katastrophenhilfe des Staates in Anspruch nehmen. Was wir aber auch sehen ist, dass es bereits in den ersten Wochen massiven Betrug gab und im Internet immer noch gibt. Wir fragen uns schon auch immer, was das für Menschen sind, die beispielsweise in sozialen Netzwerken zum Angsthöhepunkt einer Krise die Falschnachricht verbreiten, dass die Supermärkte in Kürze auch geschlossen werden. Moral Hazard für die eigenen 15 Minuten Berühmtheit.

Aber natürlich sehen wir auch, dass durchaus gesunde Unternehmen Staatshilfen in Anspruch nehmen. Hier bleibt zu hoffen, dass staatlicherseits tatsächlich eine Nachprüfung stattfindet und die Krisenpakete für die Staatsfinanzen nicht so ein Desaster werden wie die Bankenrettungen 2008/2009. Kürzlich haben wir zu den Voraussetzungen für Staatshilfen gelesen, dass Privatvermögen in diesem Zusammenhang in der Regel nicht eingesetzt werden muss. Das ist natürlich ein massiver Fehlanreiz, jetzt, wie auch in Zukunft. Denn es reizt gerade nicht dazu an, Krisenvorsorge im Kassenbestand eines Unternehmens zu betreiben, sondern so viel wie möglich rauszuziehen. Denn in einer schweren Krise würde für die Liquidität immer der Staat einspringen. Nicht aus einer Sparschwein-UG natürlich, denn diese ist ein Thesaurierungsmodell. Aber bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften zum Beispiel, oder bei Tochterkapitalgesellschaften einer Kapitalgesellschaft. Generell verwundert uns auch, wie knapp angeblich die Liquidität bei vielen Unternehmen sein soll, wenn bereits in den ersten Wochen der Kontaktsperre Hilferufe laut werden. Das ist aus unserer Sicht kein solides Wirtschaften, wenn man nach zwei Wochen bereits mit dem Rücken zur Wand steht.

Umso überraschter bei derlei Fehlanreizen waren wir von der allerersten Scholz/Altmaier-Coronamaßnahmen-Pressekonferenz hinsichtlich der Frage, was mit Freiberuflern, Kleinunternehmern und Co. passiert, während für alle anderen und vor allem alle größeren Wirtschaftsteilnehmer umfangreiche Erleichterungen beschlossen wurden. Die Antwort war sinngemäß Hartz 4. Zwischenzeitlich wurde auch für diese Gruppen ein Paket beschlossen. Aber entgegen den Umfragewerten machen Scholz und gerade auch Altmaier überhaupt gar keine gute Figur aus unserer Sicht und vermutlich auch aus Sicht der Wirtschaft. Anders als die permanenten Beteuerungen, man müsse jetzt „kluge“ Entscheidungen treffen und „kluge“ Politik machen. Permanent klug, klug, klug, mit dem Subtext, dass die Politik derzeit klug handelt. Wir halten die staatliche Trägheit, mit der Einschränkungen intelligenter geregelt werden könnten, dagegen für überhaupt nicht klug. Nichts also, wofür zumindest Scholz und Altmaier sich feiern lassen müssten. Und nachdem Spahn anfangs noch diagnostiziert hatte, das deutsche Gesundheitssystem wäre gut vorbereitet, waren kurze Zeit später die Masken aus. Ja, die ganz große Katastrophe ist ausgeblieben. Die Frage ist aber immer, ob das trotz oder wegen unserer Entscheidungsträger so ist. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung ist zumindest in Deutschland regelmäßig als „trotz“ der politischen Eingriffe zu bezeichnen und mit Sicherheit nicht Resultat der „klugen“ Politik.

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Das betrifft natürlich auch den Fakt, dass wir derzeit Staatsausgaben mit der größten Gießkanne aller Zeiten sehen, die zukünftig in irgendeiner Weise wieder eingefangen werden müssen. Ein extrem interessantes Interview mit dem Leiter des Insolvenzrechtsinsituts haben wir dazu im Handelsblatt gelesen. In diesem wird die Frage erörtert, warum der Staat dem eigenen – auf Sanierung und Erhaltung ausgerichteten – Insolvenzrecht offenbar so sehr misstraut. Das Ende vom Lied ist ein noch viel größerer Moral Hazard als in der Finanzkrise. Damals durften nur die Banken nicht pleitegehen. Jetzt verhindert der Staat wirksam, dass überhaupt noch irgendjemand pleite geht. Es gibt bis zum Herbst, verkürzt und unvollständig formuliert, keine Insolvenzantragspflicht, wenn man vor Corona nicht insolvent war. Und nun verschulden sich viele Unternehmen mit KfW-Krediten & Co. Hierdurch wird nun tatsächlich der Krall’schen Zombifizierungsthese Vorschub geleistet. Schlechtem Geld wird gutes hinterhergeworfen. Alles Phrasen, die wir aus der letzten Krise noch kennen sollten. Vieles ist doch auch ähnlich zur Finanzkrise, nur dass die Ursache dieses Mal eine Naturkatastrophe war, oder aber, sicher weiß das niemand außer China, Nieten im Virologenkittel. Von too big to fail zu too many to fail.

Nun gewährt der Staat, auch wenn er gerne mit Billionenhilfssummen Werbung macht, in erster Linie Bürgschaften und Kredite. Kredite sollten – so die Hoffnung, und sofern der Staat die Wirtschaft nicht komplett zerstört – irgendwann wieder zurückgezahlt werden können und sich deshalb nicht wesentlich steuererhöhend auswirken. Für uns, die wir zur gesellschaftlichen Randgruppe und Minderheit der Aktienanleger gehören, sind kommende Steuererhöhungen natürlich der größte Alptraum. Von hauptberuflichen Studienabbrechern werden gleich die Vermögenden mit einer entsprechenden Besteuerung als Heranzuziehende ausgemacht. Scholz forciert seine Aktionärssteuer. Der Privatanleger hat immer eingeschränktere Möglichkeiten, das tatsächliche Ergebnis seiner Geldanlagen (also auch die Verluste) der Besteuerung zu unterwerfen.

Man sollte sich deshalb grundsätzlich einmal die Frage stellen, ob es nicht jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, sich mit dem Thema Steuern und Vermögensstrukturierung einmal tiefer zu beschäftigen. Es ist eine Wahrheit, dass unternehmerisches Engagement in Deutschland steuerlich begünstigt wird. Es ist auch eine Wahrheit, dass es trotz aller Bestrebungen für eine globale Mindestbesteuerung immer noch einen Steuerwettbewerb unter den Nationen gibt, der verhindern sollte, dass auch das Unternehmertum in Deutschland in Zukunft prohibitiv hoch besteuert wird. Die Tatsache, dass es vor allem viele Gutverdiener sind, die früher in Rente und oft davor in Teilzeit gehen oder gar ganz das Land verlassen, spricht dafür, dass viele eben nicht mehr bereit sind, sich für zwei Euro mehr anzustrengen, wenn davon nur ein Euro hängen bleibt.

Bei unserem Sparschwein-UG-Konzept werden unsere Dividenden, Zinsen, Optionserträge im Idealfall final (also inklusive Ausschüttung an den Gesellschafter nach dem Ende der Thesaurierungsphase) mit 15,825 % besteuert und unsere Aktienveräußerungsgewinne mit 0,8 %, Investmenterträge aus Aktien-ETFs mit rund 3 %. Zu bedenken ist dabei auch, dass derzeit die Kurse niedrig sind, sodass die günstige Veräußerungsgewinnbesteuerung (die allerdings aufgrund des offensichtlichen Systembruchs in § 8b KStG politisch von Zeit zu Zeit infrage steht) bei Aktien einen umso größeren Effekt hat.

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So lässt sich noch Vermögen thesaurieren und aufbauen.

Während es mit der gesetzlichen Rente immer weiter bergab geht, die Riesterrente eine Nullnummer ist und eine ständig geförderte betriebliche Altersversorgung ein Leben beim gleichen Arbeitgeber erfordern würde. Alles Gründe für uns, das Angestelltenverhältnis zunehmend grundsätzlich infrage zu stellen und unternehmerische Alternativen zu suchen. Steuern steuern*, sagte schon Köber.

Wir lesen derzeit viel davon, dass „der“ Kapitalismus (den wir in Reinform ja gar nicht haben) „nach Corona“ nicht mehr funktionieren wird. Die klassische Systemdebatte wie in jeder anständigen Krise. Für Marcel Fratzscher, und da ist er politisch endlich wieder der alte, hat „der Markt versagt“ und Corona wäre der „letzte Sargnagel für den Neoliberalismus“. Also da reiben wir uns schon verwundert die Augen. Wir wussten gar nicht, dass es Marktaufgabe ist, Viruspandemien zu bekämpfen. Wir dachten immer, der Markt wäre für einen möglichst effizienten Ausgleich von Angebot und Nachfrage da. Wir wissen ehrlich gesagt auch nicht, wo unser Land besonders „neoliberal“ sein soll. Aber wir laufen auch nicht ideologisch verblendet durch die Welt. Kevin Kühnert als ausgewiesenen Sozialismusfreund und Kapitalismuskritiker könnte man dagegen mal fragen, ob er jetzt lieber in sozialistischen Ländern wie Venezuela behandelt werden würde, wenn er COVID-19-erkrankt wäre. In Venezuela sterben die Leute nämlich nicht MIT ihrem Wirtschaftssystem, sondern AN ihrem Wirtschaftssystem. Man kann sich Kühnert gut als venezolanischen Staatschef vorstellen, der den Venezolanern verkündet, er „liebe doch alle Menschen“.

Aber zurück zu den Staatshilfen: Die staatlich gewährten Garantien und Bürgschaften werden von vornherein erst einmal nicht zahlungswirksam (verteuern aber möglicherweise die Staatsrefinanzierung, was derzeit nicht ins Gewicht fällt), sondern erst bei Ausfall des Bürgschaftsgegenstands. Wirklich zahlungswirksam dürfte dagegen zunächst nur ein unterster dreistelliger Milliardenbetrag werden. Dieser wird dann auch inflationswirksam. Hierfür muss man aber auch betrachten, wer das Geld erhält und wofür das Geld benutzt wird. Erhalten werden die Direktzuschüsse vor allem kleinere Wirtschaftsteilnehmer und diese haben eine höhere Konsumquote als Vermögende. Konsum heißt dann aber vor allem Verbraucherpreisinflation. Und dazu muss man noch beobachten, wofür das Geld ausgegeben wird. Nach unserer unmaßgeblichen Meinung dürften die Zuschüsse derzeit vor allem das refinanzieren, was sowieso jeden Monat bezahlt werden muss, also Miete und Lebenshaltung. Denselben Effekt hat unseres Erachtens das Kurzarbeitergeld.

Wir sehen nicht, dass die Zuschüsse in größerem Maße für die Anschaffung von Luxusgegenständen oder Vermögenswerten genutzt werden. Deshalb würden wir hinsichtlich der Verbrauchsgüterinflation keinen großen Einfluss sehen. Umso mehr sollten sich die insgesamt höheren Schulden aller Wirtschaftsteilnehmer aber in steigenden Vermögenspreisen niederschlagen. Wir würden deshalb erwarten, dass Aktien weiter hoch rentieren, obwohl die zugrundeliegenden Fundamentaldaten möglicherweise in der näheren Zukunft etwas schwächer geworden sein könnten. Das Ergebnis wäre das, was wir die letzten Jahre schon erlebt haben: eine Bewertungsexpansion. Geld wirft nichts ab. Anleihen werfen nichts ab. Immobilien werfen nichts ab (nach Kosten, Steuern und Inflation). Es bleiben am Ende fast zwangsläufig Aktien übrig und diese müssen entsprechend teurer werden. 

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Vielleicht an dieser Stelle noch ein kurzer Ausflug in die anderen Anlagenklassen. In den letzten Jahren sind ja verschiedene Anlagethemen immer populärer geworden. Z.B. P2p-Kredite. Bondora hatte Berichten zufolge die Auszahlungen eingeschränkt. Mintos hat Auszahlungen eingeschränkt. Dafür wirbt Bondora in verzweifelter Weise um Einzahlungsbeträge und verlost dafür jetzt etwa einen BMW. Es ist nicht so, dass wir P2P selbst nicht in Betracht gezogen hätten. Wir waren beispielsweise schon zu Zeiten mal dabei, als der Kreditnehmer noch ausführlich sein Kreditprojekt beschreiben musste und der Anleger auf dieser Basis den Kredit gewährte. Da viel zu viel Geld auf der Suche nach Rendite vorhanden war, wurde diese Art P2P bald obsolet. Des Weiteren haben P2P-Kredite natürlich ein offensichtlich asymmetrisches Chance/Risiko-Profil. Der Ertrag ist begrenzt, während der mögliche Verlust bis zum Totalverlust reicht. Den Renditeerwartungswert erreicht man – schon in normalen Zeiten – nur dann, wenn man sich nicht verkalkuliert hat. Fakt ist, hätten die einzelnen P2p-Kredite einen Echtzeitmarktpreis, so wären sicherlich manche Investoren überrascht, wie wenig ihr Kreditportfolio aktuell noch wert ist.

Ein weiterer Ausflug geht in einen ebenfalls seit Jahren boomenden Markt, nämlich den der Optionsstrategien. Wir haben über die Jahre – wie auch aktuell – genug Blog-Beiträge gelesen, in denen die Optionsdepots in bösester Weise geplatzt sind. Das ist ebenfalls etwas, das wir gleich zu Beginn unserer Investmentlaufbahn mit kleinen Beträgen probiert haben, die nicht weh tun. Wir hatten Short Strangles und Short Iron Condor Strategien probiert. Diese profitieren von einer konstanten oder abnehmenden Volatilität. Das hat natürlich nicht funktioniert, aber wir wollten es nicht glauben. So war das Geld dann mehr oder weniger weg. D.h., es hätte bei Verfall schon funktioniert wie gedacht. Nur waren die Margin-Anforderungen während der Laufzeit irgendwann so hoch, dass jeder gesunde Menschenverstand zur Reißleine greift. Das war natürlich durchaus heilsam für uns. Optionsprämien kassieren hat über längere Zeiträume eben seinen Preis. In Summe war uns der Renditeerwartungswert dann nicht hoch genug. Auf der anderen Seite haben wir viel gelernt und es schadet sicher nicht, zu verstehen, wie Termingeschäfte funktionieren. Und wenn es nur die sichere Unterscheidung in Option und Optionsschein ist, was selbst gestandene Finanzjournalisten nicht auf die Reihe bekommen. Was wir aber nach wie vor für hilfreiche Strategien halten sind Cash Secured Puts und geschriebene Calls auf Aktienbestände. Eher das erstere, als das letztere, aus naheliegenden Gründen, bei Buy & Hold. Wir nutzen derzeit keine Optionen. Unser Zwischenfazit auf unserer Finanzreise ist und bleibt, dass das sture langfristige Aktienhalten wahrscheinlich die höchste Rendite abwirft. Eine der wichtigsten Lektionen ist: Gier frisst Hirn.

Schauen wir uns auch noch diejenigen an, bei denen wir bereits einen systematischen Fehler im Anlagesystem nachgewiesen haben: Scalable. Einer gigantisch schlechten Scalable-Performance von -25 % (Werbestichwort: Risikomanagement) im Zeitraum vom 20.02. bis zum 06.04. steht eine Indexperformance von……….-22 bis -26 % gegenüber. Wofür brauche ich nun Scalable? Was ist der einzigartige Vorteil einer Scalable-Investition gegenüber einem popeligen simplen DAX-ETF? Es gibt keinen. Scalable ist für das gleiche Produkt nur weitaus teurer. Für genau solche Situationen macht man ein Risikomanagement, das vorliegend schlicht versagt hat. Wie wir es bereits geschrieben haben. Das Scalable-Depot hat genau so reagiert, wie wir erwartet haben. Ein VaR-gesteuertes Risikomanagement funktioniert nur in Zeiten, in denen es kein Risiko zu managen gibt und auch diese These könnte man infrage stellen. In diesem Zusammenhang sei Nassim Taleb empfohlen mit seinem Aufsatz gegen den Value at Risk. Auch Andreas Beck ist derzeit öfter beim YouTube-Kanal von Mission Money und hat seine Ansicht zu VaR-gesteuertem Risikomanagement kundgetan.

Kommen wir nochmal zurück zum aktuellen Geschehen. Lehrreich für jeden Betrachter dürfte die Entwicklung der Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute sein. Am 23.02.2020, und damit bereits am Anfang des Crashs, prognostizierte der Internationale Währungsfonds eine coronabedingte Belastung des 2020er Weltwirtschaftswachstums von 0,1 % (!) und einen Rückgang des chinesischen Wachstums von 6,0 % auf 5,6 %. Wir hatten, wie schon öfter geschrieben, die Situation in China spätestens seit den massiven Abriegelungen im Land sehr eng verfolgt und wussten, dass diese Prognose nicht eintreten kann. Man kann nicht ein Land wie China wochenlang halb stilllegen und meinen, es wirkt sich auf die Welt kaum aus, zumal das Virus keine Grenzen kennt und es am 23.02.2020 schon 71 Fälle in Italien gab (unseres Erachtens der Auslöser des Börsencrashs). Der IWF hat die Prognose für China auf 1,2 % Wachstum in 2020 zurückgenommen, was uns schon wesentlich realistischer erscheint. Für die Weltwirtschaft wird ein Rückgang um 3 % prognostiziert. Nun kommen wir langsam in den Bereich, in dem die Prognosen von der rezessionstypischen pessimistischen Grundstimmung beeinflusst sein könnten, sodass man auf die Kehrtwende setzen könnte. Fakt ist, Fondsmanager haben massiv Geld aus dem Markt genommen. Die Cash-Quote stieg auf den höchsten Stand seit 20 Jahren. Eine weitere sehr gute Voraussetzung für eine Markterholung, da die zittrigen Hände ja eben schon raus sind.

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Kommen wir noch zum letzten Moral-Hazard-Thema: Wirecard. Wie sehen wir das und was haben wir gemacht. Zunächst haben wir, in Kenntnis der IR-Berichterstattung von Wirecard, vorsichtshalber das tatsächliche Erscheinen des Prüfungsberichts von KPMG abgewartet. Und wir haben ihn auch gelesen. Das unterscheidet uns sicher schon einmal von vielen Sekundärquellenkonsumenten. Und ja, der Bericht ist wirklich katastrophal und zum großen Teil selbstverschuldet. Wir sehen aber mehrere Kontrapunkte. Zum einen hat Wirecard eine Transparenzoffensive verkündet – aber vorliegend dummerweise gleich in eklatanter Art und Weise der Transparenz zuwidergehandelt. Unterlagen wurden nicht vorgelegt, Interviews wurden verschoben, Originaldokumente gab es nicht. Ja, das alles klingt katastrophal und ist es auch. Dennoch. Wir glauben, würde man in anderen großen internationalen Firmen nach speziellen Themen suchen, durch Externe prüfen lassen und Berichte dann veröffentlichen, würde man bei einigen Firmen sicher staunen, wie die Zustände sind. Ein Filmzitat der Saw-Reihe lautet: auch unter den feinen Häusern verlaufen Abwasserkanäle. Wirecard ist ganz furchtbar hemdsärmelig. Aber nicht nachgewiesen kriminell. Das ist für uns ausschlaggebend.

Es ist schon ein Stück weit auch eine Krankheit, dass heutzutage in Konzernen der Wasserkopf so dominant ist. Aus unternehmerischer Sicht begrüßen wir es dagegen immer, wenn ein Unternehmen in erster Linie Geschäft macht und sich nicht zu Tode dokumentiert und mit sich selbst beschäftigt. Der Bericht ist nach unserer Auffassung auch von Vornherein nicht dafür gedacht, der Wirecard-Compliance-Abteilung ein gutes Zeugnis auszustellen, sondern einzig und allein, die FT-Anschuldigungen zu entkräften. Die Situation ist ein außerordentlich zweischneidiges Schwert. Zum einen profitieren Anleger gigantisch von Wirecard, von Markus Braun und seiner Geschäftsführung, vom Vertriebstalent und von der visionären Schaffenskraft eines Milliardärs und Großaktionärs. Zum anderen werden Anleger geschädigt von der Hemdsärmeligkeit, der Eigensinnigkeit und der katastrophalen Investorenkommunikation eines Milliardärs und Großaktionärs. Wie bei Tesla übrigens, wenn man die Birne mit dem Apfel vergleichen möchte.

Es liegen zum einen große Chancen darin, denjenigen an der Spitze zu haben, der eine Firma groß gemacht, idealerweise gegründet hat. Es liegen aber enorme Risiken darin, weil genau diese Personen auch bei einer Minderheitsbeteiligung denken, die Firma gehöre immer noch komplett ihnen und sie sind der König. Bei jedem normalen Unternehmen wäre Braun natürlich längst rausgeflogen. Bei Wirecard eben nicht. Die darin auch liegende Chance haben wir uns bewusst eingekauft. Wir mögen Gründergeschäftsführer (ist bei Wirecard nicht ganz der Fall, aber fast). Weil sie mehr bewirken können als lediglich angestellte Geschäftsführer, bei denen der Vertrag schnell mal so langlebig ist wie bei einem Bundesligatrainer. Weil sie mutiger und visionärer agieren können, weil sie finanziell unabhängig sind, und nicht sklavisch am 300.000-Euro-Vorstandsvertrag hängen, weil die Vorstadtvilla und 2x Elite-Privatschule abgezahlt werden müssen. 

Das Ende vom Lied ist, dass wir nachgekauft haben. Moralisch gescheitert? 😉 

 

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8 Gedanken zu „Moral Hazard 2.0“

    1. Hi Diplomats,

      danke für das Kompliment 🙂 Ja, Immobilien sind tatsächlich nicht unser Fachgebiet. Aber aus reiner Geldanlagesicht, in deren Kontext wir die Immobilien genannt haben, sind natürlich Anlageimmobilien gemeint. D.h. Immobilien, bei denen „nichts mehr gemacht werden“ muss, als zu kaufen und zu vermieten. Wenn Dein Hinweis darauf abzielt, dass man vor allem auch durch kleine oder große Aufwertung von Immobilien Geld verdienen kann, so würden wir das nicht mehr unter Geldanlage fassen, sondern unter unternehmerische Bewirtschaftung von Immobilien. Der (Mehr-)Ertrag gegenüber einer Anlageimmobilie wäre dann die Vergütung des Arbeits-, Kapital- und Risikoeinsatz bspw. einer Renovierung oder Sanierung. Also Gewinn für ein unternehmerisches Handeln. Man ist dann auch weniger Immobilienanleger, als vielmehr ein „Hersteller modernen Wohnraums“. Sicher kann man gelegentlich auch Geld verdienen, indem man Marktineffizienzen ausnutzt, weil z.B. der Verkäufer nicht kompetent ist oder der Markt nicht transparent (off-market-Transaktionen). Aber auch das hat u.E. wenig mit einer reinen Geldanlage zu tun. Und mit einer Anlageimmobilie sollte man in Ballungsräumen (also im Sinne einer massentauglichen Geldanlage und da, wo die Sicherheit auch hoch ist) nicht so weit über die Nulllinie hinauskommen. Kläre uns aber gerne auf! 😉

      Beste Grüße
      Atypisch Still Blog

  1. Zur Moral Hazard #1: Wir dürfen nicht entscheiden, ob Menschen sterben sollen oder nicht, da bin ich voll bei euch. Das Dilemma ist aber, dass wir uns entscheiden müssen, wer sterben soll. Lassen wir alte bei uns früher sterben, oder Kinder in ärmeren Ländern verhungern, weil die ärmeren Länder keine EZB haben und von der Krise sehr viel härter getroffen werden, als wir. Klar, die Leute hier haben wir nun mal vor Augen und im Zweifel sind die eigenen Landsleute dann doch wichtiger als Ausländer. Außerdem können wir hinterher sagen, wir haben einen tollen Job gemacht und eine der niedrigsten Sterberaten. Deutschland hat das viel besser gemanaged, als alle anderen Länder. Großes Schulterklopfen ist dann angesagt. Kurz: Wir verschieben das Problem einfach von uns auf Menschen zweiter Klasse und keiner sieht es, oder keiner will es sehen. Und hinterher ist man dann entweder ganz überrascht über die Folgen unseres Handelns, oder es wird einfach totgeschwiegen.
    Hier noch ein Link zu einem Artikel: https://www.bitterlemmer.net/yessay/globale-triage-fuer-seine-corona-politik-laesst-der-westen-kinder-sterben-damit-alte-noch-ein-bisschen-leben-koennen/17089/

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