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Das größte Geschenk für Investoren: niedrige Zinsen

Leidzins oder Leitzins, das ist hier die Frage und die wird wohl jeder für sich auch unterschiedlich beantworten. Wir von Atypisch Still vertreten hierzu eine eindeutige Meinung und gehen in diesem Artikel näher darauf ein.

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Es gibt endlich wieder Neues von der Zinsfront und zwar eine ganze Reihe positiver Nachrichten. Positiv wohlgemerkt aber nur für den Einzelnen, der davon zu profitieren weiß, nicht für die Gesamtheit. Denn die wichtigsten Notenbanken der Welt haben ihre Zinsprognosen gesenkt.

Das ist ganz besonders bitter für Mario Draghi und die EZB, die ein mehrjähriges Zeitfenster für Zinserhöhungen nunmehr offenbar verpasst haben. Im Gegenteil werden die Zinsen auch nicht nur in 2019 nicht mehr erhöht, es wird auch mit neuen TLTRO-Krediten weiter voll aus allen geldpolitischen Rohren geschossen. Der Grund ist natürlich ganz einfach der, dass Mario Draghi bei jeder Zinssitzung seit der Finanzkrise völlig zu Recht darauf hinweist, dass die EZB es alleine nicht richten kann. Nur (politisch mittlerweile schwer durchsetzbare) Reformen der einzelnen Mitgliedsstaaten können zu einem nachhaltigen Aufschwung der Wirtschaft in der Eurozone führen. Diese blieben und bleiben bekanntlich im Wesentlichen aus, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht zusammenraufen können und Nord und Süd sowieso fundamental unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit haben. So orientiert sich die europäische Geldpolitik weiter an der Unterseite, also der wirtschaftlichen Lage von Griechenland und Italien. 

Die US-amerikanische Fed war da grundsätzlich schon etwas weiter und hat seit Ende 2015 die Zinsen doch ganz ordentlich angehoben. Nun scheint man dort die Bandbreite des sogenannten neutralen Zinses erreicht zu haben, was die Fed dazu veranlasst, keine Zinserhöhungen in 2019 mehr vornehmen zu wollen und 2020 voraussichtlich maximal eine. Die weitere Haltung ist also eine abwartende und beobachtende. Der Anhebungszyklus kam jetzt doch überraschend schnell zum Stehen, ist man vom letzten Zinsanhebungszyklus sogar noch die fünf vor dem Komma gewöhnt.

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Obwohl nun der Aufschrei u.a. der Zeitung mit den vier Buchstaben – ZINS-SCHOCK FÜR SPARER! – und vermutlich eines Großteils ihrer Leserschaft bestimmt wieder groß sein wird – wir als Aktienanleger könnten uns kein größeres Geschenk vorstellen. Wir sind Kunden der ersten Stunde seit dem Markteintritt von Degiro und profitieren somit seit fünf Jahren von dauerhaft niedrigen Zinsen des dort angebotenen Wertpapierkredits. Zinsen in einer so lächerlichen Höhe, dass sie für uns substantiell größere Investitionssummen überhaupt erst möglich gemacht haben.

Das betrifft gar nicht mal so sehr das Aufblähen der Kurse durch den gestiegenen Geldumlauf. Vielmehr geht es uns darum, bei günstigen Kaufgelegenheiten jederzeit zuschlagen zu können. Die anschließend eingehenden Dividenden führen den Kredit dann wieder zurück. Daneben ist es – zumindest bei den derzeitigen Euro-Zinsen – einfach auch ein Margenspiel. Selbst nur durchschnittliche Dividendenrenditen liegen üblicherweise über den wirklich homöopathischen Wertpapierkreditzinssätzen von derzeit 1,25 % p.a.

In an interview with CNBC, Buffett said that „my partner Charlie says there [are] only three ways a smart person can go broke: liquor, ladies, and leverage,“ adding that „the truth is — the first two he just added because they started with L — it’s leverage.“

Eines der besonders schönen Buffett-Zitate, mit denen man als Wertpapierkreditznutzer konfrontiert wird. Dabei wird oft vergessen, dass auch Buffett nicht ganz ungeleveraged agiert. Immerhin hat Buffett knapp 100 Mrd. Dollar langfristige Schulden auf der Bilanz. Und verkehrt ist der Grundgedanke auch überhaupt nicht. Wir nutzen den Wertpapierkredit nicht aus Selbstzweck. Wir betrachten ihn als Turbo in der Anfangsphase des Investorenlebens. Zum einen nimmt seine Bedeutung bei fortschreitendem Vermögensaufbau bereits relativ ab – oder sollte es zumindest. Zum anderen sollte man im Laufe der Investitionsphase darauf hinarbeiten, an deren Ende auch absolut keinen wesentlichen Wertpapierkredit mehr in Anspruch zu nehmen, um unbelastet von Zins- und Kreditrisiken in die Entnahmephase gehen zu können. 

Eines der großen Risiken beim Wertpapierkredit sind eben steigende Zinsen. Genau die sind allerdings in Europa immer noch nicht in Sicht, wie wir oben dargestellt haben. Düstere Prognosen (eines immerhin renommierten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts) gehen sogar davon aus, dass demographiebedingt eine Niedrigzinsphase bis zur Mitte des Jahrhunderts ansteht. Das Flossbach von Storch Institut sieht sogar überhaupt keine steigenden Zinsen mehr, solange es den Euro in der jetzigen Form gibt.

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Immer, wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit, sich zu besinnen.
Mark Twain

Allerdings sind sich nunmehr wohl auch fast alle seriösen Beobachter gesammelt einig, dass aus niedrigen Zinsen in Europa in näherer Zukunft kein Weg herausführt. Wenn sich aber alle einig sind, ist es, frei nach Twain, Zeit, innezuhalten und nachzudenken. Höhere Zinsen folgen auf eine höhere Inflation. Diese ist im Konsumgüterbereich zunächst mal nicht in Sicht. Was aber seit der Finanzkrise ganz sicher drastisch angezogen hat, sind die Preise für Vermögenswerte, wobei es beim ebenfalls vom Flossbach-Institut berechneten FvS-Vermögenspreisindex in 2018 erstmals seit 2012 eine Pause gab. Die Vermögenspreise sind jedoch soweit ersichtlich nicht der Taktgeber für Zinsentscheidungen. Sinken die Aktienkurse aber, so lässt sich zeitweise durchaus eine gewisse Unruhe unter den Marktteilnehmern, auch unter den Zentralbanken, feststellen.

Niemand dürfte auch bestreiten, dass wir in Deutschland mittlerweile von der Pflegekraft über die Reinigungskraft, über den Handwerker bis zur Fachkraft einen veritablen Arbeitskräftemangel haben. Obwohl die veröffentlichte Inflationsrate zwischen 1 und 2 % pendelt, liegen die Tarifabschlüsse derzeit gefühlt wesentlich höher. Die internationale Personalberatungsgesellschaft Korn Ferry erwartet für Fachkräfte bis 2030 sogar eine „Gehaltsschwemme“, die Welt formuliert es als „Lohnexplosion“. Dies sind durchaus Punkte, die über einen anziehenden Binnenkonsum die geldpolitikrelevanten Verbraucherpreise besonders stark steigen lassen könnten.

Allerdings ist aus unserer Sicht für eine Prognose aus heutiger Sicht vermutlich noch zu viel wenn und aber dabei. Zumal in diesen Prognosen eines nicht enthalten ist, nämlich der Crash aus unvorhersehbaren Gründen. Immanent lassen sich zu einer dahingehenden Prognose nur unseriöse Aussagen treffen. Wir können also für unsere eigenen Investitionen vernünftigerweise nur von dem ausgehen, was ist und was auf Sicht von einem Jahr sein dürfte. Wir rechnen auf Jahressicht mit einem unveränderten Zinsniveau in Europa und schließen uns im Grundsatz dem Gefühl an, dass die Zinsen länger niedrig bleiben werden. Die teil- und zeitweise inverse Zinskurve sowie die oben genannte Zinspause in den USA stützen die These von einem vorerst nicht ansteigenden Zinsniveau, ist für uns aber auch nur mittelbar interessant, da wir uns ja in Euro verschulden.

In der Vergangenheit liefen die Zinspolitiken von EZB und Fed relativ synchron. Das hat auch einen guten Grund. Denn wenn in einem Währungsraum der Zins höher ist, ist die Währung zur anderen relativ stärker und zieht ausländisches, zinssuchendes Kapital an. Kapital, das dann in Europa fehlt, wenn es in den USA beispielsweise in AAA-Unternehmensanleihen zu respektablen 3,7 % Rendite investiert werden kann. Danach kann man in Deutschland lange suchen. Wir erachten es also tendenziell als für die Eurozone nachteilig, wenn in den USA (als Leitwährungsraum) die Zinsen deutlich höher sind, als hierzulande. Im Gegenzug wurde die EZB aber als Ersatzkäufer für Euro-Anleihen installiert. Mit über 2 Billionen Euro Staatsanleihenbestand ist die EZB zum größten Gläubiger der Euro-Staaten aufgestiegen. Der EuGH sieht hierin keine Staatsfinanzierung. Juristisch mag man das teilen oder für sich anders beurteilen, in der Praxis sieht das für uns als denjenigen, die in dieser Währung leben, nicht gesund aus. Uns ist allerdings neben dem Euro auch kein Währungsraum bekannt, der sich seit 2008/2009 nicht deutlich zum Riskanten hin verändert hat. Die Schweiz vielleicht, aber was ist schon die Schweiz allein, wenn die großen Währungsräume der Welt den Fuß nicht vom Gaspedal bekommen…

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Fazit

Wir tanzen notgedrungen mit, solange die Musik spielt. Das vorhandene geldpolitische bzw. währungspolitische Risiko versuchen wir – passiv – durch Diversifikation auch über die Währungsräume zu mindern. Panik ist selbstverständlich in Währungsfragen kein guter Ratgeber, insbesondere sollte man den ubiquitären Crash-Propheten, die früher z.B. Hedgefonds führten, Fernseh-Talkshows moderierten oder diejenigen, bei denen jedes Wort zu viel wäre, nicht in Anlagefragen auf den Leim gehen. Die beste Anlage ist und bleiben nicht Kryptowährungen, Edelmetalle, albanische Ackerflächen oder der Subsistenzgarten mit angeschlossenem Prepper-Keller, sondern nachweislich schlicht und ergreifend direkt gehaltene Standardaktien:

120 Jahre Dow Jones, logarithmische Darstellung

 

Es darf nicht vergessen werden, dass die Zinsen deshalb so niedrig sind, weil die Wirtschaft der schwachen Euro-Länder nicht in die Gänge kommt. Das liegt aber an mangelnden Reformen und zudem sucht sich der passionierte Aktionär ja die Rosinen raus und nicht die Durchschnittsrendite – im Zweifel in anderen Währungsräumen. Anlegen in der starken Währung und Verschulden in der schwachen Währung als ein Rezept gegen Renditearmut. Das seit Jahren bestehende Zinsniveau hat uns zu sicherlich deutlich vierstelligen jährlichen Mehrerträgen verholfen, die unseren Wertpapierkredit kontinuierlich abtragen, und außerdem zu mindestens fünfstelligen unrealisierten Extra-Wertsteigerungen durch Mehrkäufe, die wiederum zusätzliche Risikodeckungsmasse für den Wertpapierkredit darstellen. Das Zinsniveau ist eine historische Chance, denn nie zuvor war das Zinsniveau so lange so niedrig. Man muss es nur zu nutzen wissen. Es gibt kein Menschenrecht auf auskömmliche Tagesgeldsätze. Wir wünschen allen Lesern gute Aktien-Investments und niedrige Zinsen! 

 

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6 Gedanken zu „Das größte Geschenk für Investoren: niedrige Zinsen“

  1. Hallo AS,

    interessanter Artikel, interessante Idee.
    Grundsätzlich habe ich auch schon mit dem Gedanken gespielt. Ich bin jedoch ETF-Anleger (World, EM, SC, REIT) und habe 20% in P2P. Und ja, ich habe euren Artikel „gegen“ ETFs gelesen.
    Vielleicht könnt ihr ja mal genauer darauf eingehen, wie hoch man einen Kredit im Bezug zum Nettoeinkommen und ggf. vorhandenen Sachwerten (in meinem Fall ein Auto) und zum bereits vorhandenen Depot wählen sollte. Wie lange sollte er laufen? Worauf sollte man ansonsten achten?

    Ansonsten weiter so!

    1. Hallo tommy9985,

      deine Fragen werden in der Artikelserie zum schnellen erreichen von 100.000€ im Depot beantwortet.
      Am Ende ist ein Wertpapierkredit aber kein Kinderspielzeug, du solltest dich gut informieren und 100% hinter dem stehen, was du dann tust.
      Du brauchst einen langen Atem und viel Disziplin.
      Du steigst aktuell zu den höchsten Kursen aller Zeiten nach dem längsten Boom aller Zeiten ein.

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