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Die Crashpropheten-Crush-Saga: Alternative Fakten und noch mehr vom Unausgegorenen

AUUS, AUUUUS, DAS SPIEL IST AUUUS! Marc Friedrich und Matthias Weik gehen getrennte Wege. Doch Marc Friedrich hat immer noch Bock auf Krise und führt den BILD-Zeitungs-Stil-Youtube-Kanal nun allein unter der Marke „Marc Friedrich“ fort – also faktisch keine Änderung. Höchste Zeit also, weitere Ungereimtheiten der bekanntesten aller Crash-Propheten zu diskutieren.

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Hier kommst Du zu den vorangegangenen Artikel unserer Artikelserie:

  1. Die Crashpropheten-Crush-Saga: Der (größte) Crash des Crash-Prophetentums (aller Zeiten!)
  2. Die Crashpropheten-Crush-Saga: die Wand, der Nagel und der Pudding
  3. Die Crashpropheten-Crush-Saga: muddy waters und andere Ungereimtheiten

Bisher stand ja beispielsweise zeitpunktmäßig die Prognose „spätestens 2023“ für den „Systemkollaps“ an. Aber wie genau soll sich das nun noch darstellen? Als Paradebeispiel führt Marc Friedrich für seine an den Haaren herbeigezogenen, nie eintretenden Hyperinflations-/Hyperdeflations-/Crash-/Auslöschung-der-Mittelschicht-Szenarien ja immer den live miterlebten Staatsbankrott in Argentinien im Jahr 2001 an. Uns kam diese Geschichte schon immer etwas weit hergeholt und unrund vor. Vor allem aber in keiner Weise für einen Vergleich mit Europa oder gar Deutschland geeignet – wie dankenswerterweise auch das Manager Magazin findet.

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Aber sehen wir es uns doch einmal genauer an:

Marc Friedrich gerät hier etwas ins Plaudern und kann sogar die Uhrzeiten am Tag des Staatsbankrotts benennen. Klar, denn wer von uns wüsste im Jahr 2020 nicht im Detail, was er wann im Dezember 2001 getan hat? Er erzählt von einer Party in der Nacht und einer Staatsbankrotterklärung „sieben Stunden später“. Laut BBC erfolgte die Bankrotterklärung am 23. Dezember 2001. Laut Marc Friedrich war er an diesem Tag auf dem Weg zur Arbeit und wunderte sich, dass keine Kollegen auf der Arbeit auftauchten. Aber: der 23. Dezember war ein Sonntag. Wir würden vermuten, dass Sonntag auch in Argentinien üblicherweise kein Arbeitstag ist. Vielleicht kam ja deshalb kein Kollege zur Arbeit?

Des Weiteren beschreibt Marc Friedrich, wie der Präsident vom Dach des Präsidentenpalastes mit dem Helikopter abgeholt wurde. Nur: diese Aktion fand nicht am 23. Dezember, dem Tag des Staatsbankrotts, den Friedrich im Interview detailliert nachzeichnen will, sondern am 20. Dezember 2001. Auch wurde der Staatsbankrott nicht, wie man vermuten könnte, weil Friedrich von Präsident de la Rúa spricht, von diesem erklärt, sondern aufgrund dessen Rücktritts von seinem Nachfolger Rodríguez Saá.

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Die einzelnen Bestandteile dieser Story hätte man als Medienlandschaft, zumal der investigative Teil, ruhig schon mal in Frage stellen können, statt niedrighängende mediale Früchte zu pflücken und Crash-Speichel zu lecken. Peinlich, dass wir es erst sind, die das machen müssen. Aber Wirecard ist ja auch zuerst einer ausländischen Zeitung aufgefallen.

Insgesamt passt für uns bei der von Friedrich vorgetragenen Geschichte vorne und hinten nicht allzu viel zusammen. Und das deutet darauf hin, dass die Geschichte vor allem aus Gründen der Kommunizierbarkeit für die ab dem Jahr 2012 aufgebauten Crash-Szenarien fabriziert wurde. Fraglich ist deshalb im Weiteren, ob und inwieweit nun allen nachfolgenden Friedrich-Argumentationen (vor allem in „Der größte Raubzug der Geschichte“) mangels Glaubwürdigkeit die Grundlage entzogen wird und inwieweit Friedrich hier tatsächlich hautnah dran war.

Des Weiteren erweckt er ja mehr oder weniger beständig den Eindruck, dass ihm das ganze grob gesagt über Nacht passiert ist und dass man das ganze kaum hätte im Vorfeld ahnen können. Obwohl er im Interview dann immerhin von seinem Mitarbeiter Alejandro erzählt, der ihn Wochen zuvor bereits gewarnt hat. Von einem überraschenden Staatsbankrott kann denn aber auch keine Rede sein, denn Argentinien war ja bekanntlich bereits 1827, 1890, 1951, 1956, 1982 und schließlich 1989 pleite, also insgesamt sechs Mal und das letzte Mal gerade 12 Jahre vorher. Eine allzu große Überraschung konnte das also eigentlich für niemanden gewesen sein, zumal Argentinien zu keinem Zeitpunkt finanziell gesund war und sich 1999 in einer tiefen Rezession befand, aus der es auch 2000 nicht herauskam.

Seit fast vier Jahren schrumpft die Wirtschaft. Die Rezession hat die Arbeitslosigkeit auf 18 Prozent schnellen lassen. Die einst so wohlhabende und breite Mittelschicht ist weithin verelendet: Etwa 40 Prozent der 37 Millionen Argentinier leben mittlerweile in Armut.

[…]

Die Zahlungsschwierigkeiten sind seit Monaten bekannt – spätestens seitdem Rating-Agenturen wie Standard & Poor“s oder Moody“s die wirtschaftliche Lage für so desolat hielten, dass sie das Land auf die unterste Bonitätsstufe zu setzen drohten: auf „D“ wie „Default“, was Zahlungsausfall bedeutet.

SPIEGEL: „Das Land ist ausgelutscht“, 29.12.2001

Warum es Friedrich dann aber vor dem achten Staatsbankrott im Jahr 2014 auf einmal möglich war, diesen „absehbar“ und „mehrfach“ zu „prognostizieren“ (bei jeder neuen Verwendung dieses Wortes drängt sich ein einziges Fremdschämen auf), vor dem siebten Staatsbankrott aber selbiges in keiner Weise vermochte, bleibt wohl sein Geheimnis. Offenbar haben sich seine Fähigkeiten an der Glaskugel erst nach 2001 massiv verbessert.

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Oder aber man nennt das „Prognose“ (und nur wenn sie eintrifft), was andere einfach Verfolgung der laufenden Berichterstattung über aktuelle Entwicklungen nennen. Jedenfalls hat Friedrich in seinem ersten Buch ja selbst geschrieben „Spätestens im Herbst [2001] war vielen klar, dass Argentinien hoffnungslos überschuldet war.“. Warum hat er dann nicht einfach im Herbst 2001 schon das Land verlassen, wenn die Lage „hoffnungslos“ war, um die von ihm skizzierte abenteuerliche (aber auch wahre?) Flucht aus Argentinien zu vermeiden? Aus purer Lust an Crash und Krise?

In „der größte Raubzug der Geschichte“ findet sich des Weiteren im Kapitel 28 die Angabe eines Staatsbankrotts 2001, während exakt eine Seite davor der letzte Staatsbankrott Argentiniens auf 2002 datiert wurde. Vielleicht hätte weniger kommerziell getriebener Endzeitschaum vor dem Mund und weniger Untergangsscheuklappen bei einer korrekten Abfassung des Werks geholfen. Was uns auch nicht klar wurde, ist, warum nun ausgerechnet der Staatsbankrott in Argentinien dazu geführt haben soll, sich vom vormals von Marc Friedrich vertretenen „Turbokapitalismus“ (was auch immer darunter zu verstehen ist) abzuwenden.

Aber auch sonst findet sich viel Fragwürdiges in den Bibeln der Crash-Proleten.

Nehmen wir einmal das ubiquitär verwendete Einstein-Zitat: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ So zu finden beispielsweise

  • auf der F&W-Fondsseite,
  • in den fiktionalen Romanen „Sonst knallt’s“
  • sowie „Der größte Raubzug der Geschichte“
  • und in verschiedensten F&W-Interviews.

So wird in „Der größte Raubzug der Geschichte“ unter dem Anschein der wissenschaftlichen Reproduzierbarkeit als Beleg für die Authentizität dieses Zitats sogar die renommierte, belastbare Zitatquelle „der-buchspezialist.de“ (ô.Ô) angeführt, eine Seite, die es heute schon gar nicht mehr gibt, und die auch in Webarchiven nicht zu finden ist – seltsam. Wenn man den Anschein von Wissenschaftlichkeit durch Quellenangaben erwecken will, ist es allerdings immer ein Problem, wenn die Quelle nichts taugt und der Inhalt sogar schlicht falsch ist.

Der auf falsche Zitate spezialisierte Blog falschzitate.blogspot.com hat zu dem genannten Einstein-Zitat festgestellt: „Einstein wurde dieses Zitat Jahrzehnte nach seinem Tod erstmals zugeschrieben. Einstein-Expertinnen wie Alice Calaprice oder Barbara Wolff haben es in keiner seiner Schriften gefunden.“  Die englischsprachige ebenfalls auf Falschzitate spezialisierte Seite Quote Investigator kommt zum selben Ergebnis.

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Das ist das offenkundige Problem an der Arbeitsweise dieser Crash-Propheten: sie nehmen den bloßen Schein der Dinge für bare Münze und übernehmen offenbar auch beliebige Falschzitate – wie sie etwa auf Facebook in heutiger Zeit in unvorstellbarer Zahl zirkulieren – ungeprüft als echte Zitate. Pure Oberflächlichkeit, und diese zieht sich ja auch sichtlich durch die gesamte Analyse. Wenn so die Recherche für ein Buch von „Star-Ökonomen“ und der „Expertenelite“ (Zitate aus dem Sachwertmagazin) aussieht… 

Des Weiteren wird in „Der größte Raubzug der Geschichte“ ein Voltaire-Zitat der renommierten, belastbaren Zitatquelle boersenweisheiten.c1l.de wiedergegeben: „Wenn Sie einen Schweizer Bankier aus dem Fenster spring sehen, springen Sie sofort hinterher: Es gibt bestimmt etwas zu verdienen.“ Wie vorstehend schon gezeigt, ist das mit Zitatwebseiten immer so eine Sache. Besonders skeptisch sollte man sein, wenn im ganzen Internet keinerlei Primärquelle als Fundort angegeben wird.

Nun sollte an sich schon verwundern, dass es zur Zeit, als Voltaire lebte, noch gar keine Schweiz im heutigen Sinne gab. Es gab nach Wikipedia die sogenannte „Alte Eidgenossenschaft„, ein lockeres Gefüge verschiedener Länder und Stadtstaaten, die Schweiz entstand erst später. Aber das ist auch gar nicht der Punkt, denn dass das Zitat in der Form falsch ist, hätte man dann schon sehen können, wenn man es bei Google in der Muttersprache Voltaires eingibt.

Denn zwar gibt es auch im Französischen die Vermutung, nicht aber den Beleg, dass Voltaire das gesagt haben könnte. Dann aber jedenfalls ohne den „Schweizer“ Bankier. Insgesamt erscheint es uns jedenfalls für unsere eigene Arbeit auf diesem Blog für völlig ungeeignet, Zitate zu verwenden, wenn sich diese nicht zweifelsfrei aus Primärquellen (!) verifizieren lassen können. Alles andere läuft eher unter dem Motto „nette Geschichte, aber…“. Aber eigentlich Lebenszeitverschwendung und Verdummung.

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Des Weiteren finden sich Suchergebnisse für Voltaires Zitat zwar beim französischen Google, nicht aber die Quelle und erst recht nichts bei Google Books. Das sollte immer auf den ersten Blick schon einmal skeptisch stimmen. Und so kommt denn auch die Diskussion auf Wikiquote schon im Jahr 2013 zum Ergebnis – und liefert sogar einen Beleg -, dass das Zitat Voltaire fälschlich zugeschrieben wurde. Wir halten Wikipedia nicht für so unbekannt, dass man das bei gewissenhafter Recherche nicht hätte auch selbst finden können.

Ein weiteres (so viel können wir schon vorwegnehmen: angebliches) Voltaire-Zitat (der arme Mann!) in „Der größte Raubzug der Geschichte“ mit dem seriösen Nachweis auf der renommierten, belastbaren Zitatquelle prosilber.de lautet: „Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – null!

Dies ist ein weiteres Beispiel für Zitate, die im Laufe der Nullerjahre erst in minderqualitativ zusammengeschusterten Wirtschaftsbüchern auftauchen und ab den 2010er-Jahren eine explosive Verbreitung durch Internetseiten erfahren haben. Es gibt bis heute keinen einzige Primärquellenbeleg dafür, dass Voltaire dieses Satz gesagt hat. Im englischsprachigen Internet findet sich ein Hinweis, dass Ludwig von Mises das Voltaire-Zitat einmal verwendet haben soll und dieser im gleichen Atemzug ergänzte, dass es Voltaire lediglich „typischerweise zugeschrieben“ wird. Dass mit dem deutschen Zitat erneut bereits der wörtlichen Übersetzung nach etwas nicht stimmen kann, sieht man an der im – sprachlich wohl maßgeblichen – französischen Teil des Internets kursierenden viel längeren Fassung „Une monnaie papier, basée sur la seule confiance dans le gouvernement qui l’imprime, finit toujours par retourner à sa valeur intrinsèque, c’est à dire zéro.

Sinngemäß ist das im Ergebnis das gleiche. Aber entweder gibt es ein Originalzitat, dann ist das auch in voller Länge und nicht nur sinngemäß verkürzt zu übersetzen oder es ist gar kein Originalzitat, dann kann man natürlich übersetzen wie man möchte. In französischen Quellen wird gelegentlich Candide oder der Optimismus (von Voltaire geschrieben) als Ursprung angeführt. Dort ist es jedoch ebenfalls nicht zu wiederzufinden. Kurios, dass es Dutzende Bücher und Hunderte Webseiten (vor allem Krypto- und Edelmetallbuden) gibt, die das Zitat bringen, doch nicht eine einzige kann eine authentische Primärquelle angeben. Zu belegen, dass ein Zitat nicht von Voltaire ist, ist natürlich ungleich schwerer, als zu belegen, wenn es ein solches gäbe. Da der Zitatursprung jedoch nirgends auch nur ansatzweise belegt ist, kommen wir zum Ergebnis: das Zitat stammt höchstwahrscheinlich nicht von Voltaire.

An dieser Stelle wollen wir gerne mit einem (überprüften) Zitat von Descartes aus seiner Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs antworten:

Die erste [Regel] war: niemals eine Sache als wahr anzunehmen, die ich nicht als solche sicher und einleuchtend erkennen würde […].

Wollen wir es bei der Auswahl dieser drei F&W-Zitate einmal bewenden lassen; wir sind uns sicher, noch mehr zu finden, wenn man danach suchen würde. Klingt das aber nun abschließend nach der Arbeitsweise von „Ökonomen“? Oder klingt das nicht vielmehr nach der Arbeitsweise eines bloßen „BWLers“? Wie schon gesagt: ein BWL-Studium allein macht einen nicht zum Ökonomen. Schon gar nicht, wenn die Arbeitsweise so schludrig ist, wie hier aufgezeigt und die Quellen nicht einmal auf Authentizität geprüft werden, sondern offensichtlich ungeprüft übernommen wurden. Aufs Neue kein Qualitätsbeleg für die Arbeit der Crash-Propheten.

Das erkennt man auch bei einer Auswertung der Quellen von „Der größte Raubzug der Geschichte“:

  • So sind von den immerhin 889 genannten Quellen so illustre wie die marxistische Junge Welt, mathenachhilfe.ch, ueberwachungsbuerger.wordpress.com, aktienlehrer.de und chinesischbusiness.de.
  • Für die Quellenangaben von n-tv und Tagesanzeiger haben wir je drei verschiedene Schreibweisen im Quellenverzeichnis entdeckt, für die Süddeutsche gleich vier verschiedene Schreibweisen. Nicht falsch, aber definitiv unsaubere Arbeit.
  • Immerhin ist die weit überwiegende Mehrheit der Quellen als seriös einzuschätzen. Zwar haben sich ein paar N24, Focus Money und ein paar BILD.de Artikel eingeschlichen, das kann man aber fast vernachlässigen. Jedoch sind lediglich drei Buchquellen genannt. Folglich besteht das Buch im Wesentlichen aus umformulierten Internetnachrichtenseiten. Ebenfalls ein zuverlässiger Hinweis auf oberflächliches Arbeiten statt intensiver gedanklicher Auseinandersetzung mit anderen Ansichten – so lässt sich auch das unkontrollierte Verlassen des Bereichs der gesellschaftlichen Mitte erklären, der in dem eher eklektisch vorgetragen anmutenden Crash-Autismus mündet, der auf dem F&W-Youtubekanal verbreitet wird. Das Resultat ist zwangsläufig ein Filterblasenmachwerk, in dem nur auftaucht, was ins eigene Weltbild passt.
  • Acht Mal taucht die Seite boersenweisenheiten.c1l.de als Quelle auf, vier Zitate kommen von silberknappheit.de, sieben von zitate.de und jeweils drei von zitate-online.de und zitateportal.com. Das sind mindestens 25 potentiell falsche Zitate, die wahrscheinlich niemand auf Authentizität überprüft hat.

Und auch mit dem Sujet „Crash“ an sich sind sie ja bei weitem nicht die ersten, wie man einmal feststellen muss.

Eher reiten sie eine Welle, mit der sich Geld verdienen lässt – wie man sieht. Werfen wir doch einmal einen Blick zurück ins Jahr 1856:

„Die Nachrichten, welche die zwei in dieser Woche eingetroffenen Dampfschiffer aus Europa mitgebracht haben, scheinen offenbar den endgültigen Zusammenbruch der Spekulationen und des Börsenspiels zu verschieben, dem die Menschen auf beiden Seiten des Ozans instinktiv wie in furchtsamer Erwartung eines unvermeidlichen Schicksals entgegensehen. Dieser Zusammenbruch ist trotz der Verzögerung gewiß, in der Tat kündigt der chronische Charakter, den die gegenwärtige Finanzkrise angenommen hat, nur einen heftigeren und unheilvolleren Ausgang dieser Krise an. Je länger die Krise andauert, um so schlimmer wird die Abrechnung. Europa befindet sich augenblicklich in der Lage eines Menschen am Rande des Bankrotts, der gezwungen ist, zugleich alle Unternehmungen weiter zu betreiben, die ihn ruiniert haben, und zu allen möglichen verzweifelten Mitteln zu greifen, mit denen er den letzten furchtbaren Krach aufzuschieben und zu verhindern hofft. Es ergehen neue calls zur Zahlung auf das Kapital von Gesellschaften, die in der Mehrzahl nur auf dem Papier existieren. Große Summen Bargeld werden in Spekulationen investiert, aus denen sie niemals zurückgezogen werden können, während der hohe Zinsfuß – gegenwärtig sieben Prozent bei der Bank von England – gleichsam ein strenger Künder des kommenden Gerichts ist.“

Karl Marx: Die Krise in Europa, in: „New-York Daily Tribune“ Nr. 4878 vom 6. Dezember 1856, in: MEW 12, S.80-82, S.80.

Dieser Beitrag von Karl Marx, seines Zeichens größter Systemkritiker (wie heutzutage üblich, gehört es sich noch anzufügen: aller Zeiten) gibt letztlich über 150 Jahre vor Friedrich & Weik die komplette Argumentationsgrundlinie vor, weshalb wir den Crash-Propheten, oder an dieser Stelle bei Marx nun wirklich passend: den vereinigten Crash-Proleten aller Länder mit dem Bedürfnis nach Revolution, lediglich noch epigonale Kreativleistungen im Fachbereich Crash konzedieren können.

Übrigens kamen tatsächlich im August 1857, ausgehend von New York, die erste Weltwirtschaftskrise und der erste globale Börsencrash der Geschichte zustande. Bekanntlich fasste der Kapitalismus weltweit danach aber erst so richtig Tritt und von einem finalen Zusammenbruch kann bis heute auch nach vielen gescheiterten Versuchen keine Rede sein. Erst recht nicht von einem Zusammenbruch, der im Anschluss zu einem Systemwechsel – wohin auch immer – führen sollte.

Das ist eine – wohl im Unterschied zu Marx, wobei auch der aber in erster Linie Bücher verkaufen wollte, um seine eklatant schlechten Finanzen aufzubessern – allein aus kommerziellen Interessen herbeiphantasierte Illusion der Crash-Proleten. Offenbar, weil sie in der Realwirtschaft zu keinem stabilen Anstellungsverhältnis gekommen sind, auch im Übrigen kein Unternehmen zu gründen und großzumachen vermochten und deshalb selbst dem – Achtung, Wortspiel – pervertierten Finanzjournalismus anheimgefallen sind, indem sie gewissenlos das verkaufen, was sich gut verkauft: Angst, Hass, … und den Wetterbericht, wobei sie sich zugegebenermaßen auf ersteres als Spezialgebiet fokussiert haben.

Dass die beiden es mit Marx aber wohl gut ausgehalten hätten, verdeutlicht auch das folgende Zitat:

„Es ist möglich, dass ich mich blamiere. Indes ist dann immer mit einiger Dialektik wieder zu helfen. Ich habe natürlich meine Aufstellungen so gehalten, dass ich im umgekehrten Fall auch recht habe.“

K. Marx, Brief an Engels (1857), MEW 29, 161.

Genau so ergeht es denn auch jedem – insbesondere seriösen – Diskutanten, der versucht, Marc Friedrich in einem Interview oder einer Talkshow mit Gegenargumenten zu kommen. Friedrich windet sich wie ein nasser Aal, um am Ende auf Teufel komm raus Recht zu behalten. Das ist ja auch im Grundsatz gut so, wenn man von seinen Meinungen überzeugt ist. Dennoch sollte man in Erwägung ziehen, seine Meinung anpassen, wenn sie nicht zu den Fakten passt – ein Satz der klassischerweise Keynes zugeschrieben wird. Was aber ebenfalls falsch ist.

Unsere neue Artikelserie zur nationalen Katastrophe des grassierenden Crashprophetentums geht in Kürze weiter.

Hier kommst Du zu den vorangegangenen Artikel unserer Artikelserie:

  1. Die Crashpropheten-Crush-Saga: Der (größte) Crash des Crash-Prophetentums (aller Zeiten!)
  2. Die Crashpropheten-Crush-Saga: die Wand, der Nagel und der Pudding
  3. Die Crashpropheten-Crush-Saga: muddy waters und andere Ungereimtheiten

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6 Gedanken zu „Die Crashpropheten-Crush-Saga: Alternative Fakten und noch mehr vom Unausgegorenen“

  1. Hallo,
    als großer Fan und eBook-Käufer-/Leser lese ich auch gerne die Blog-Artikel. Allerdings irritiert mich das „Abarbeiten“ an den Crash-Propheten zunehmend. Reicht hier nicht ein Artikel? Warum jetzt noch ein 4. Artikel zu der Thematik? Warum das „Bashing“ in Form von „Crash-Proleten“ etc.?

    Ich bin kein Freund der beiden, und glaube, dass jeder irgendwann einmal Recht haben wird: die Gold-Fans, die Dauer-Optimisten, die Crash-Propheten etc. Sie müssen nur lange genug ihrer Linie treu bleiben 🙂

    Da hier ein Publikum angesprochen wird, welches eine eigene „Sparschwein-GmbH“ gründen möchte bzw. gegründet hat, würde ich mich sehr freuen, hier künftig wieder Artikel zu lesen, die mit „unserem“ Thema zu tun haben.

    Viele Grüße!

    1. Hallo!
      Zunächst vielen Dank für die Kritik! Es ist richtig, dass wir einen Fokus auf Vermögensverwaltung im Gesellschaftsmantel haben. Dies vor allem auch deshalb, weil es über dieses Thema sonst praktisch nichts Brauchbares im Internet gibt. Allerdings sind wir auf dieses Fokus nicht eingeengt und schreiben auch gerne über andere allgemeine, vor allem über sonst selten behandelte, wirtschaftliche und finanzielle Themen. Aus Rückmeldungen und Zugriffszahlen wissen wir, dass auch unsere Artikel zu Randthemen, beispielsweise Quantentechnologie und Sonnenstürme im Börsenkontext, Besteuerung von US-LPs sowie zu inspirierenden Persönlichkeiten sehr gut ankommen.
      In Bezug auf die Crash-Propheten als aktuellem Thema wollten wir schon seit längerem einmal einen Artikel veröffentlichen, um das Thema abschließend umfassend zu beleuchten und vor allem auch einmal umfassend aus der Perspektive derer, die die Ansichten der Crash-Propheten nicht teilen. So viele Stimmen gibt es aus der Richtung nämlich bislang nicht. Allerdings wurde die Materialsammlung für den Artikel schnell so groß, dass ein Artikel zu wenig ist. Deshalb wirst Du ca. zwei weitere Artikel noch durchstehen müssen 😉 Danach gehts aber gleich weiter mit den Brot-und-Butter-Themen, versprochen.
      Beste Grüße vom Atypisch Still Blog

    1. Zugegeben, das ist nicht gerade der größte Lapsus, ein Zitat ungeprüft zu verwenden. Sollte sich irgendein Friedrich&Weik-Fan aber doch einmal aus seiner Echokammer hierher verirren, wollen wir ihm Gelegenheit bieten, so viel wie möglich über die tatsächlich unsaubere und wenig verlässliche Arbeitsweise zu lernen 😉 Wie schon erwähnt: in der Tiefe gibt es bislang praktisch keine Inhaltsangebote für potentielle Crash-Aussteiger.

  2. Vielen Dank für die Serie. Gerade der Fokus nicht nur auf die haltlosen Prophezeiungen von Krall & Co. sondern auch auf die äußerst bedenkliche und reißerische Sprachwahl der Herren ist wichtig.

    Denn die öffentlichen Diskussionen über die ohne Zweifel zu Hauf bestehenden politischen und wirtschaftlichen Probleme hier bei uns bzw. in der Welt können nicht geführt werden, wenn statt Argumenten immer nur Hass und Hetze herausposaunt werden.

    Und dabei tun sich gerade sehr oft diejenigen hervor, die bei Kritik immer direkt von „Meinungsdiktatur“, „Sprechverboten“ und „Zensur“ faseln, aber fleißig und ohne Einschränkungen Bücher und Vorträge hier in unserer „Diktatur“ verkaufen und halten können. So wie Friedrich, Krall, Otte & Co..

    Daher nochmals: Vielen Dank!

    1. Danke Dir, Holger. Wir halten Sprache auch für einen Indikator für gefährliche Zündler und finden diese Auffassung deutlich unterrepräsentiert im Umgang mit diesen Personen.

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