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Der ETF, oder: die größte Bombe seit der Finanzkrise

Der ETF – gepriesen als Wunderwaffe, verehrt als Allheilmittel. Die ideale Lösung für Millionen von Kleinanlegern in Zeiten der Nullzinsen. So wird er verkauft, so wird er wahrgenommen. Wir räumen in unserem heutigen Beitrag die Nebelkerzen aus dem Weg und wischen etwas den Sand aus den Augen.

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Entmystifizierung des ETFs

Verführerisch ist die Idee, man könnte aus Geld einfach per Knopfdruck und Sparplan noch mehr Geld machen und man würde nie wieder mit dem lästigen Thema Geldanlage zu tun haben müssen. Wir haben Millionen von Menschen im Land, die die technischen Datenblätter beim Fernseh- oder Autokauf detailliert studieren, aber für das Sparen, für die Altersvorsorge, für die Geldanlage eine möglichst „automatische“ Lösung wollen, mit der sie sich inhaltlich nicht weiter beschäftigen müssen. 7% aus der Steckdose, wenn man so möchte. Wo die eigentlich genau herkommen, ist der Masse egal.

So dürfte es an den allermeisten ETF-Investoren in Deutschland wohl auch vorbeigegangen sein, dass eine vermeintliche Unmöglichkeit des ETF am 24. August 2015 bereits schon einmal aufgetreten ist: die Illiquidität des ETF mit der Folge eines Verlusts von über 30% im Vergleich zu seinem Index. Der gab an diesem Tag nämlich nur im einstelligen Prozentbereich ab. Nanu? Ist die ETF-Entwicklung etwa nicht stets und in jedem Fall deckungsgleich mit der Indexentwicklung? Hieß es nicht immer, es gibt nur einen geringfügigen Tracking Error, aber im Großen und Ganzen bekommt man die Indexrendite? Jetzt ist es so, dass die Schwankungen an jenem Tag mit den lokalen Börsenregeln begründet wurden und db x-trackers hat für das XETRA-System verlauten lassen, dass Gleiches dort „eher unwahrscheinlich“ wäre. Das gilt aber nur für die konkrete Situation an diesem Tag, wie wir später noch sehen werden.

Neben den modernen Pervertierungen

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  • des Börsenhandels hin zum Nanosekunden- und Algohandel,
  • des Eigentumsanteils an einem Unternehmen mit Stimmrecht und unternehmerischer Verantwortung hin zum bloß mittelbaren Anteilsbesitz mit treuhänderischer Stimmrechtsausübung,
  • des Börsenhandels hin zum Orderverkauf an Systematische Internalisierer,
  • der tatsächlichen Bewertung des Unternehmens hin zur abstrahierten Chartbildmalerei,

beobachten wir mit der rasanten Entwicklung des ETF-Markts somit eine weitere solche einer ursprünglich guten Idee.

Dabei würden ETFs wahrscheinlich sogar langfristig unproblematisch funktionieren können, wenn das passive Investment tatsächlich so gehalten würde, wie es einmal gedacht war: nämlich passiv. Ohne Verkäufe und Aktionismus. Bei einem Investment sind Verkäufe nämlich die Ausnahme und nicht die Regel; alles andere nennt sich Spekulation.

Die durchschnittliche Haltedauer einer S&P 500 ETFs beträgt aber lediglich noch sechs Wochen. Vieles spricht also dafür, dass ETFs von vielen Anlegern taktisch, und nicht wie ursprünglich intendiert, strategisch gehalten werden. Der taktische Einsatz dürfte im Falle von Marktturbulenzen genau dazu führen, dass Anleger gleichermaßen kurzfristig wie kurzsichtig agieren, die Turbulenzen damit verstärken und bei Auftreten eines Herdentriebs den ETF an die Grenzen seiner Konstruktionsweise führen.

Unboxing ETFs

ETFs sind nämlich eine Verpackung für Vermögenswerte, die liquider ist, als die zugrundeliegenden Vermögenswerte selbst. Weil es nur einen begrenzten täglichen Börsenumsatz der Basiswerte gibt, aber eine unbegrenzte Rücknahmeverpflichtung des ETF-Emittenten. Das Prinzip kennen wir seit der Finanzkrise: wenig liquide Kredite/Immobilien etc. werden in liquide handelbare Wertpapiere verpackt. Mit der manifestierten Illiquidität der Basiswerte bei gleichzeitigen substantiellen Rückgabewünsche seitens der Verpackungsinvestoren fielen diese Produkte in sich zusammen. Dann gab es noch den CDO auf den CDO auf den CDO, und alle brachen sie schließlich wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

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Wir haben heute gleichermaßen Dach-ETFs, also ETFs auf ETFs. Wir sehen Futures auf ETFs, Optionen auf ETFs. Mehr- bis vielfach gehebelte ETFs. ETFs auf Emerging Markts, Afrika, China, Rohstoffe – schlicht auf das potentiell illiquideste vom Illiquiden. Das Kartenhaus wird immer größer. Neuerdings kommt noch der Robo-Advisor auf den ETF hinzu, die auf Basis von reinen Finanzkennzahlen der ETFs selbst wie Korrelation oder VaR in die jeweiligen ETFs investieren. Also noch losgelöster von den Fundamentaldaten, als der ETF an sich schon investiert.

Was seit nunmehr zehn Jahren in der Bankenbranche zurückgedrängt werden soll, nämlich zu große Vernetzung untereinander, Intransparenz der Illiquidität, zu große Verlustansteckungsgefahr untereinander und übereinander hinsichtlich des genannten Kartenhauses, überhaupt einfach: Größe. Das alles wächst im ETF-Bereich ungehindert und unreguliert weiter zu einem riesigen Problem. Zu einer Blase, die früher oder später platzen kann.

Im Grunde muss man eigentlich spätestens seit der Finanzkrise eine Krise derivativer, mittelbarisierter Finanzprodukte konstatieren. Die in immer neuen Erscheinungsformen präsentierte Liquidemachung illiquider Vermögenswerte ist gescheitert – aber offensichtlich noch nicht von allen erkannt worden. Ein wesentlicher Grund, warum wir bei Atypisch Still die Direktinvestition in originäre Finanzprodukte empfehlen: Aktien & Anleihen. Wobei wir uns auf Aktien konzentrieren.

Irgendwann wird das wieder zu der Frage führen: warum hat das keiner erkannt, wie war so ein Unsinn überhaupt möglich? So, wie in der Finanzkrise die verpackten Kredite ausfielen und mit ihnen in noch größerem Ausmaß die Verpackungen selbst; so, wie in der sich an die Finanzkrise anschließenden Krise des deutschen Immobilienfonds die Verpackungen geschlossen werden mussten und die Fondspreise mit den enthaltenen illiquiden Vermögensgegenständen implodierten; so wird voraussichtlich auch früher oder später die ETF-Blase platzen. Weil sie einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler haben. Weil sie eine Mogelpackung sind.

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Rückkopplung oder warum ETFs noch gefährlicher sind als CDOs in der Finanzkrise

In der Finanzkrise fielen zwar die zugrundeliegenden Kredite aus. Das führte zu Preiseinbrüchen bei den sie verpackenden abgeleiteten Sammelprodukten. Jedoch wurde durch den Preiseinbruch des mittelbaren Instruments nicht der Preis des Basiswerts selbst rückbeeinflusst.

Man hat sich vor wenigen Jahren gefreut, dass die großen Anbieter vom Swap-basierten ETF zum replizierenden ETF wechseln. Alle Aktien werden also physisch – in der heutigen Zeit eigentlich ein nicht mehr übermäßig treffendes Wort dafür – gekauft. Und natürlich auch verkauft, und da liegt der Haken.

Werden also im Gegensatz zum CDO nun ETF-Anteile in großer Zahl verkauft, weil z.B. Privatanleger wegen eines Berichts in der Zeitung mit den vier Buchstaben gerade mal wieder unruhig werden, werden die ETF-Basiswerte an den Börsen verkauft, anders gesagt: Aktien auf den Markt geschmissen. Aktien sind aber selbst börsennotiert und ab einer gewissen Größenordnung wird das Verkaufsvolumen markt- und preisrelevant. Der ETF-Verkauf drückt im Notverkaufsfall also den Preis der Basiswerte, die seinen Preis selbst ausmachen.

Und nicht nur das: er würde dadurch natürlich auch die ETF-Fondspreise aller anderen physisch replizierenden ETFs drücken. Da die ETFs seit Jahren immer größere Volumina anziehen und das Börsenhandelsvolumen mittlerweile überwiegend vom algorithmischen Handel bestimmt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine systemische Krise ungekannten Ausmaßes ausbricht. Sollte sich eine gegenseitig verstärkende Abwärtsspirale aus Preissenkungen – ETF-Anteilsverkauf – Preissenkungen etablieren, wird diese nicht zu stoppen sein. Außer Mario Draghi möchte nun auch noch billionenfach Aktien kaufen. Hierin liegt die große Gefahr und eine solche Situation ist von den eingangs erwähnten Schwankungen vom August 2015 verschieden, weil sie nicht aus Börsenregeln resultiert, sondern aus dem Herdentrieb. Den kann man nämlich nicht einfach abstellen.

Wir haben diese Art des infiniten Regresses noch nicht gesehen oder erlebt und schätzen diese Variante deshalb intuitiv möglicherweise als unrealistisch ein. Allerdings haben das Krisen eben so an sich, dass man sie üblicherweise in der konkreten Ausgestaltung im Vorhinein nicht absehen kann.

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Die Frage ist also: werden ETFs massiv verkauft, wer soll dann die ganzen vom ETF verkauften Aktien abkaufen? Es gibt nur eine begrenzte tägliche Nachfrage an den Börsen. Was danach passiert, konnte man in den Jahren 2008 und 2009 an verschiedenen Tagen erleben. Wir hatten bislang schlicht Glück, dass es zu solchen Situationen noch nicht gekommen ist, in denen die Aufnahmekapazität des Marktes getestet wird. Schließlich sind die Anleger mit Sicherheit nicht rationaler geworden als vor zehn Jahren.

Zwischenfazit: der ETF ist systemrelevant und das wird verbreitet noch nicht wirklich erkannt. Der lachende Dritte wird der aktive Investor sein. Aus unserer Sicht wird die nächste große Krise keine chinesische Schuldenkrise sein (wesentlicher Grund: weil die chinesische Auslandsverschuldung gering ist, vgl. dazu auch Japan), sondern eine (weitere) Krise mittelbarer Finanzprodukte und hier bietet sich der ETF nun aus den genannten Gründen ganz besonders an. Was allein aus der Historie des Kapitalismus bittererweise ebenfalls dafür spricht: der ETF ist beim kleinen Mann in der Breite angekommen. Will er mehr als 0% Verzinsung, aber keine Aktien, kriegt er: den ETF-Sparplan, für den Enkel und den Sohn gleich noch einen mit dazu. Wenn es gut läuft, denn ansonsten kriegt er einen Riester- oder Bausparvertrag.

Leider ist es ein Trugschluss, dass einfach alle ihr ganzes Geld in ETFs stecken können und das war‘s. Je mehr Menschen die ursprüngliche gute Idee (aus)nutzen, desto gefährlicher wird der ETF für alle anderen und am Ende auch für einen selbst.

Und nun?

Wir von Atypisch Still halten grundsätzlich keine ETF-Anteile. Wir gehen auch fest davon aus, dass über kurz oder lang notwendigerweise eine massive Regulierung des ETF-Markts kommen wird. Eine in Anbetracht der Größe des ETF-Markts schmerzhafte und einschneidende Regulierung. Man braucht das ja nur ins Extrem weiterdenken: es ist am Ende schlicht nicht vorstellbar, dass die Politik dabei zusieht, wie am Ende 99% des Aktienmarktes nur noch passiv gehalten werden, wie 99% der Unternehmensstimmrechte auf der Hauptversammlung nur noch treuhänderisch von Fondsgesellschaften ausgeübt werden, und dass beim großangelegten Abverkauf von ETFs automatisch pauschal alle zugrundeliegenden Basiswerte gleichermaßen abverkauft und runtergezogen werden. Wer das für unbegründete Panikmache hält, dem sei ein Blick in die Statistiken am Ende dieses Artikels empfohlen.

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Natürlich soll man das alles schon können dürfen, die gesellschaftlich – und gesellschaftsrechtlich – relevante Frage ist aber: wollen wir das? Wo doch die politische Linke schon heute eine Machtkonzentration in den Händen einiger weniger beklagt. Wollen wir, dass die Unternehmenspolitik von Daimler, BMW, Siemens maßgeblich von Blackrock bestimmt wird? Sind das dann faktisch nur noch Zombie-Unternehmen? Wollen wir, dass der ETF-Anteil irgendwann so groß wird, dass der ETF-Markt der Markt selbst ist?

Von vielen Menschen, mutmaßlich darunter auch viele ETF-Investoren, wird darüber hinaus gelegentlich die zunehmende Trennung von Haftung und Verantwortung beklagt. Diese könnten sie aber durch den direkten Aktienkauf wieder selbst übernehmen. Aber das macht Mühe und Mühe will sich heutzutage niemand mehr machen. Zumal doch da gerade diese tolle Serie bei Netflix läuft… Aber morgen gehen wir wieder auf die Straße und demonstrieren gegen die Verantwortungslosigkeit der Unternehmen. Wer Initiativ- und Verantwortungslosigkeit in Politik und Wirtschaft beklagt, sollte im Privaten an dieser Stelle selbst den Anfang machen. „Keine Lust“ und „keine Zeit“, sich mit dem eigenen Geld zu beschäftigen, entlassen einen nicht aus dieser Verantwortung. Bewusster Konsum muss analog auch in der Geldanlage gelten.

Zugegeben: eine natürliche Bremse ist ja bereits durchaus eingebaut: es wird immer aktiv orientierte Investoren geben, und je relevanter das Produkt ETF wird, desto größer werden die Chancen für aktive Investoren bei ETF-induzierten Preisverzerrungen. Was übrigens letztlich wieder nur heißt, dass der klassische deutsche Kleinanleger, den man heutzutage auch als klassischen deutschen ETF-Anleger bezeichnen könnte, der große Verlierer ist. Wie beim Verkauf von Börsenorders (nachzulesen im Buch „Flash Boys“ von Michael Lewis) der Kleinanleger nur einen nicht spürbaren Bruchteil eines Cents bei jeder aufgegebenen Order verliert, so wird auch hier der Kleinanleger auf lange Sicht nur still und heimlich unbemerkt gemolken werden. Und das ist noch die milde Variante; sollten wir wirklich eine Kernschmelze des ETF erleben, wird es wieder heißen: aber die Bank hat mir das empfohlen. Wieder werden nur die anderen schuld sein.

Fazit

Viele Privatanleger könnten eines Morgens aufwachen und feststellen, dass sie aufs Neue jahrelang falsch investiert haben. Wieder einmal einem Finanzprodukt nachgejagt, statt Unternehmensanteilen. Erst im Februar gab den Fall, dass ETFs über Nacht erst ihren Wert verloren haben und am Ende sogar dichtgemacht wurden – keine Chance für Anleger, vorher zu verkaufen. Dagegen empfehlen wir ein gutes und klassisches Rezept: den Raum zwischen den Ohren benutzen und die Finanzen selbst in die Hand nehmen.

Vielleicht wird aber auch gar nichts passieren. Es wird dies jedenfalls die spannende Frage der Zukunft sein: wo ist die richtige Balance zwischen aktiver und passiver Investition auf der Ebene des Gesamtmarkts, wo wird sie sich einpendeln, mit welchen Konsequenzen? Bis zur ersten großen ETF-Krise rennen wir jedoch solange erst einmal ungebremst in eine Richtung. Panik möchten wir an dieser Stelle nicht verbreiten, da auch wir selbstverständlich nicht wissen, wie sich die Dinge schlussendlich entwickeln. Die Frage ist auch nicht, ob wir mit unseren Ansichten Recht haben oder nicht. Die Frage ist: was passiert, wenn 50, 60 oder 80% des Marktes passiv gehalten werden? Wie sind die Auswirkungen auf Preisfindung, Herdentrieb, Marktstabilität, Marktliquidität, Abstimmungsverhalten? Die von uns skizzierten Probleme bestehen unzweifelhaft und es bleibt abzuwarten, wie sich diese gegebenenfalls auflösen werden.

Wir möchten abschließend noch ein paar Statistiken und weiterführende Quellen auflisten:

  • es gibt weit über 500.000 ETF-Sparpläne in Deutschland
  • Kunden deutscher Direktbanken (also ein Bruchteil aller Kunden) haben ETFs im Wert von knapp 15 Mrd. Euro im Depot
  • Anteil passiv gehaltener Anlagen in den USA:

  • Mittelzuflüsse nach Jahren in US-ETPs:

  • Es gibt heutzutage mehr Indizes als Aktien (Quelle: Euro am Sonntag vom 14.10.2017, Bloomberg)
  • Täglich fließen 1,1 Mrd. USD in US-Aktien-ETFs
  • 40% der US-Aktienkapitalisierung wird passiv gehalten und bei fiktiv beibehaltenem Tempo würde bis 2030 der gesamte Markt passiv gehalten
  • 17% des S&P 500 wird von ETFs gehalten – vor 10 Jahren lief der Anteil noch unter „Rundungsdifferenz“
  • Der passive Anteil am weltweiten Vermögen verdoppelt sich bis 2020 gegenüber 2012 auf 22%
  • Blackrock und Vanguard alleine verwalten 10 Billionen USD ETF-Vermögen und kontrollieren 65% aller ETFs
  • Kritisch dazu

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18 Gedanken zu „Der ETF, oder: die größte Bombe seit der Finanzkrise“

  1. „Wir sollten unsere Überzeugungen nicht nach ihrer Plausibilität bewerten, sondern nach dem Schaden den sie anrichten können.“ Nassim Nicholas Taleb

    Der ETF wird leider wie oben beschrieben von vielen privaten und institutionellen Anlegern vor allem taktisch eingesetzt und hauptsächlich wegen der scheinbar hohen Liquidität. Die Überzeugung ist, dass es eine geniale Erfindung ist. Daher trifft der Artikel schon ins Schwarze, was die Risiken angeht, auch wenn die Befürworter erneut die Risiken kleinreden werden. Wann und ob der Punkt erreicht wird, wo diese Risiken sich tatsächlich manifestieren, wage ich nicht zu prognostizieren. Für mich sind ETFs indirekte Produkte – Derivate – auf die eigentlichen Basiswerte, die man mit spitzen Fingern anfassen muss, wenn man sie denn überhaupt verwendet. Siehe auch mein Artikel aus 2017: https://www.covacoro.de/2017/02/23/auch-etfs-sind-derivate/

    Covacoro

    1. Danke für Deinen Artikel, auch sehr interessant! Man hat über die ganze Historie der Aktie wohl noch nie gehört, dass etwas in der Konstruktionsweise falsch gelaufen sein könnte. Komischerweise kommt man aber oft zu diesem Ergebnis, wenn man sich abgeleitete Produkte anschaut und der abgeleitete Markt größer zu werden droht, als der zugrunde liegende. Wir werden die Entwicklung auf jeden Fall weiter beobachten und dokumentieren. Daneben haben ETFs natürlich noch einige weitere Nachteile, vor allem aus der Sicht überzeugter Direktanleger ?
      Beste Grüße und schönes Wochenende!

  2. Ich sehe den Unterschied zwischen Einzelaktien und ETFs hier einfach nicht. Wenn Privatanleger Panik schieben und sie verkaufen wollen dann werden sie verkaufen. Ob sie nun einen ETF, Einzelaktien, klassiche Fonds oder Anleihen raus ballern ist dabei doch letztlich egal. Auch bin ich nicht überzeugt das der gescholtene Privatanleger da so die riesigen Mengen an Geld bewegt. Die institutionellen Anleger sollten da immer noch deutlich stärker investiert sein.

    1. Der Unterschied ist, dass wenn Du Aktien verkaufst, es Deine freie Entscheidung ist, wie und wie viel Du verkaufst. Wenn Du z.B. der Ansicht wärst, nachdem sich der DAX halbiert hat, Deine Anteile loszuschlagen, kannst Du es tun oder: eben auch sein lassen.
      Der ETF dagegen MUSS verkaufen, zum aktuellen Preis, wenn er Anteilsrückgabeaufträge erhält. Ist der Markt ohnehin bereits ausgetrocknet, weil niemand kaufen möchte (=> 2008 & 2009), kann der beim Verkauf erzielte Preis schon mal sehr viel niedriger sein als er gerade eben noch war. Was wiederum Aktie sowie Index drückt. Und damit den ETF wiederum selbst.
      Viele Privatanleger verlieren nun mal schnell die Nerven und zwar leider durchaus positiv korreliert mit der Höhe der unrealisierten Verluste im Depot. Die Finanzkrise ist auch bereits zehn Jahre her, und eine ganz neue Generation kommt auf den Markt, die das schon gar nicht mehr bewusst miterlebt hat.
      Im iShares DAX allein sind übrigens mittlerweile 8,5 Milliarden Euro Anlegergelder enthalten. Der gesamte tägliche durchschnittliche Handelsumsatz im DAX betrug im März 2018 zwischen 4 und 4,5 Milliarden Euro. Gib jetzt mal, sagen wir, 2 Milliarden zusätzlich in den Markt in einer Phase, in der die Leute ohnehin ängstlich sind. Wir sehen hier durchaus die große Gefahr einer Abwärtsspirale, weil sich das Problem mit jedem Monat, der vergeht, vergrößert. Aus unserer Sicht werden es die wenigen langfristigen Investoren in solchen Situationen leichter haben. Diese zahlen aber wahrscheinlich von vornherein nicht auch noch eine Gebühr dafür, neben guten Unternehmen auch Krümel der Deutschen Bank, Commerzbank, EON, RWE etc. etc. im Depot zu haben, sondern beteiligen sich direkt an ihren Wunschunternehmen.

  3. Die ganze Problematik dürfte mich doch aber nicht betreffen, wenn ich in solch schwierigen Zeiten die ETF Anteile einfach halte? Dann wird das einfach ausgesessen und fertig oder denke ich hier zu kurz?
    Außerdem glaube ich auch, dass sich Blogger wie der Finanzwesir oder der Investor Warren Buffett (Wenn er sterben sollte, soll seine Frau einfach in ETFs anlegen) so dramatisch irren.
    Die „Rendite auf Knopfdruck“ hat man ja mit normalen Einzelaktien auch.

    1. Wie gesagt wollen wir den Teufel ja auch nicht an die Wand malen, wir rufen weder zum Verkauf von ETFs auf noch raten wir vom Kauf von ETFs ab. Wenn Du den ETF in einer wie auch immer gearteten Krise durchhältst, passiert zunächst mal auch nichts. Die Frage ist dennoch: kann der ETF – wie andere abgeleitete Produkte vor ihm – ebenfalls “platzen”? Also in irgendeiner Form geschlossen und abgewickelt werden, weil er z.B. Rückgabewünsche der ETF-Investoren nicht mehr bedienen kann? Was passiert, wenn der ETF aufgrund Anteilsrückgaben Basiswerte (also z.B. Aktien) verkaufen muss, aber diese nicht los wird, weil an den Börsen gerade keiner kaufen möchte? Wie es am Ende ausgehen mag, können wir nicht vorhersagen, aber wir können Risiken aufzeigen und ein Risikobewusstsein schaffen. Jedenfalls kann ein ETF aus unserer Sicht technisch „ausfallen“, eine Aktie vom reinen handelbaren Produkt her aber nicht. Nur Pleitegehen kann das Unternehmen.

      Auch von der Konstruktionsweise her dürfte kaum einem Anleger bewusst sein, was für ein komplexes Produkt ein ETF technisch überhaupt ist. Vgl. auch hier https://www.extra-funds.de/wissen/creation-redemption-so-werden-etfs-handelbar/
      Selbst wenn in der Folge man argumentiert, dass es nicht der Fonds selbst ist, der am Markt die ETF-Basiswerte verkauft, sondern sein sog. market maker/authorisierter Partner, bleibt die Frage im Raum: auch der market maker des ETFs muss in irgendeiner Weise die Basiswerte des ETF verkaufen – oder auf die eigenen Bücher nehmen, was aber eher unwahrscheinlich erscheint.

      Wir sagen insgesamt auch: ja, der ETF ist gut gedacht und an sich ein gutes Produkt – wenn ihn nur nicht zu viele (um nicht zu sagen: alle) verwenden. Wir stellen die Frage, was passiert, wenn der abgeleitete Markt zu groß im Verhältnis zum zugrundeliegenden Markt wird und ob sich hier nicht ähnlich der Plattentektonik Risiken/Spannungen aufbauen können, die sich irgendwann sehr unglücklich entladen. Der Korrekturmechanismus im Kapitalismus äußert sich dann meist als irgendeine Krise. Wir halten die Auseinandersetzung mit dem Thema “Verhältnis zwischen Derivat und Basiswert” für mittlerweile sehr wichtig, weil es a) vor zehn Jahren schon eine wesentliche Rolle gespielt hat und b) es uns heute in Billionenform begegnet.

      Anmerkung zum Schluss: Buffett schlägt ETFs gerne als Alternative vor allem zu aktiven Fonds und noch anderen, abstruseren Anleger-Einfällen vor. Selbst hält er aber Aktien. Buffett schlägt ETFs vor allem auch deshalb vor, weil es Berkshire aufgrund der eigenen Größe nicht mehr möglich ist, die extremen Überrenditen der Vergangenheit zu wiederholen. Wenn man aber auch mit Berkshire irgendwann nur noch die Marktrendite erzielen kann, kann man sich den ganzen Aufwand sparen und man ist mit der mit ETFs aufwandslos erreichbaren Marktrendite am Ende auch gut bedient.

  4. Hallo, die ETF-Kritik hier und in anderen Blog-Posts auf Eurer Seite ordne ich als „wenig/keine tatsaechl. Erfahrungen damit habend“ ein.

    Ohne sich selbst ETFs anzuschaffen (ist ja ok, jedem das Seine), sind hier weitere fundierte Infos zu finden, um sich wenigstens intelektuell damit zu beschaeftigen:

    1) gegen die gaengigen ETF-Kritiken:
    https://www.gerd-kommer-invest.de/blog/ siehe Beitrag vom 05.Aug.2017
    https://www.gerd-kommer-invest.de/publikationen/andere-veroeffentlichungen/ generell zum Nachlernen zur ETF-Anlage

    2) temporaere Illiquiditaet von Assets lassen sich hervorragend taktisch fuer KAEUFE nutzen (Schnaeppchenpreise). zB:
    https://www.finanzwesir.com/blog/wochenueberblick-kw25-2016#1466773387
    VERKAUFEN in unruhigen Zeiten sollte sowieso niemand!

    3) philosophisches Argument: ETFs sind weder gut noch boese sondern neutral.
    Man kann fast alles fuer Gutes und fuer Boeses verwenden (Waffen, Werkzeuge, Fahrzeuge, etc)

    ETF = gutes, diversifiziertes, selbstreinigendes, momentum-eingebautes Langzeit-Investment-Vehikel.
    „das am wenigsten schlechte Investvehikel“: https://www.finanzwesir.com/blog/etf-probleme

    Wenn man ETFs zum Herum-traden verwendet – bitte schoen – aber dann ist nicht der ETF schuld, wenn die persoenliche Performance leidet …

    1. Wir bringen im Vergleich zu den zitierten Quellen u.a. über acht Jahre direkte Berufserfahrung in verschiedenen Fondsgesellschaften mit und sind deshalb der Ansicht, uns „intellektuell“ sehr wohl mit dem Thema beschäftigt zu haben. Daneben gehen die vorgebrachten Gegenargumente leider inhaltlich auch vollständig an dem von uns in unserem Artikel Beschriebenen vorbei und enden damit in einem sinnlos pauschalen Ich-bin-Pro-Passiv-weil-du-Kontra-Passiv-bist. Auf diese Auseinandersetzung wollen wir uns gar nicht einlassen. Wir dürfen uns schließlich noch die Bemerkung erlauben, dass wir Herrn Kommer ganz unten im Artikel unter „Kritisch dazu“ sogar selbst verlinkt haben und somit ebenfalls zu Wort kommen lassen.

  5. Glaube nicht, dass es so tragisch wird. Viele passive Anleger im Sparplan werden selbst in einer Krise stoisch weiter sparen und Anteile zum günstigen Preis kaufen, so wie ich.
    Und wenn man sich die ganzen Finanzblogs mal anschaut, so gibt es genug Börsen-Cowboys, die davon überzeugt sind, dass sie mit Einzelaktien die Rendite von ETFs übertreffen können.
    Du glaubst doch nicht wirklich, dass auch nur ein kleiner Teil der Menschen so tiefes Finanzwissen aufbaut, um in Einzelaktien anlegen zu können. Für die meisten ist das Anlegen in ETFs schon so weit weg! In meinem Bekanntenkteis weiß NIEMAND, was das ist. Das Konzept, den ganzen Markt kaufen zu können, ist denen total fremd.
    Du tust ETFs als etwas ab, das der völlig Unwissende aus Bequemlichkeit macht. Nein, der wird zur Bank gehen, sich irgendeinen aktiv gemanagten Fonds aufschwatzen lassrn und brav seine 4% Managementgebühr jährlich zahlen. Und selbst das werden nur wenige deutschr Sparer machen

    1. Wir können nur sagen, dass wir gerade nicht davon reden, mit Einzelaktien die ETF-Rendite übertreffen zu können, sondern durch die Anlage in Einzelaktien keine zusätzlichen Risiken aus dem beschriebenen Liquiditätstransformationsproblem im Depot haben. 😉

  6. Ein sehr guter und informativer Artikel zu diesem Thema. Das ganze ist doch sehr umfangreich und wird meist unterschätzt. Da muss und sollte man sich genau informieren, um zu wissen, worauf man sich dabei tatsächlich einlässt.

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  9. Hallo, eine kurze Anmerkung: „Erst in Februar gab es den Fall, dass ETFs über Nacht erst ihren Wert verloren haben und am Ende sogar dicht gemacht wurden“ – An dieser Stelle verlinken Sie in Ihrem Artikel einen Bericht über eine ETN oder Exchange Traded Note der Credit Suisse. Eine ETN ist aber nichts anderes als ein börsengehandeltes Zertifikat und daher mit einem ETF nicht vergleichbar. Als Belegstelle taugt der verlinkte Artikel daher nicht.

    1. Hallo Semiramis,
      danke für Deinen Kommentar!
      Wir haben uns das nochmals genauer angesehen und kommen letztlich ebenfalls zu Deiner Feststellung.
      Diesem Artikel hier (https://finance.yahoo.com/news/volatility-spike-triggers-inverse-etf-160504322.html?guccounter=1) zufolge waren aber auch tatsächlich ETFs mit Wertminderungen bis zu 83 % betroffen – allerdings ohne endgültige Schließung des Produkts selbst. Der Wert des ETFs hat sich übrigens bis heute nicht wesentlich erholt, sondern steht sogar noch unter dem Preis vom 1.2.18 (https://finance.yahoo.com/quote/SVXY/). Deshalb zugegeben: das Produkt wurde nicht geschlossen. Ein Stück weit wirtschaftlicher Totalschaden scheint auf der Basis des Werts vor Februar 2018 dennoch vorzuliegen.

  10. Ich halte die Angst vor einer Abwärtsspirale bei ETFs für völlig überzogen. Es gibt immer noch genügend aktive Anleger. Im Notfall kauft Blackrock seine eigenen ETFs auf. Wenn der ETF Markt crasht, nützt die Einzelaktie auch nichts. Die wird im allgemeinen Chaos mitgerissen. Es ergeben sich dann auch Gelegenheiten für aktive Markteilnehmer, die den Markt stützen können.

  11. Das Problem ist tatsächlich die Psyche der Anleger, nicht jeder in dieser Welt ist so cool, wie deutschsprachige Anleger. Und bei einer wirklichen Abwärtsspirale wissen wir selbst nicht, wie wir reagieren werden, glaubt es mir. Natürlich, rational wissen wir alle „aussitzen“ egal ob Aktie, ETF oder sonst was und hoffen, dass es irgendwann wieder aufwärts geht. Gibt es eine Garantie: Nein.
    Und daher finde ich es sehr gut, wenn auch vernünftige kritische Stimmen ihre freie Meinung dazu äussern. Vielen Dank.
    Ich beschäftige mich im Augenblick auch mit ETF Sparplänen. Die Wahrheit liegt meist zwischen beiden Ansichten. Und die Verantwortung für mein Leben und meine Finanzen trage ich selbst.

  12. Für solche Extremszenarien kann es Sinn machen, sich einmal genauer mit dem Optionshandel zu beschäftigen: Sofern der ETF-Markt crasht und man hat gleichzeitig Index-Put-Optionen im Depot, kann man diese beim explosionsartigen Anstieg der Volatilität verkaufen und sich mit dem eingenommenen Geld äußerst günstig mit seinen Lieblingsaktien eindecken. Diese Arten der Absicherung müssen auch nicht nicht einmal allzu teuer sein, wenn mit sogenannten „Airbags“ und/oder „Zero-Cost-Collars“ arbeitet… mit solchen Instrumenten im Rücken sowie einem schönen Sack voller Qualitätsunternehmen (WM, HD, DE, Air Liquide, MCD, MSFT, BRK, FPE, HeidelbergCement, JNJ, O, SAP, UNP, WY, u.v.m.) fühle ich mich irgendwie besser als mit drei Sparplänen auf den MSCI World AC, MSCI Emerging Markets und MSCI Euro Stoxx… wo m.E. echte Diversifikation mit einem Streu-Schuss-Schrot(t)gewehr verwechselt wird…

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